Beitrag aus der Rheinpfalz „Eine Buchhandlung muss begeistern“

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Frankfurter Buchmesse„Eine Buchhandlung muss begeistern“: wie ein Pfälzer Buchhandelsberater die Branche sieht

Auch das: Buchhandel bedeutet ein Berg von Arbeit.

 

20. Oktober 2024 – 10:40 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Christoph Honig ist gerade auf der Frankfurter Buchmesse. Wo auch sonst, der Ludwigshafener ist selbstständiger Betriebsberater im Buchhandel. Markus Clauer hat sich mit ihm darüber unterhalten, was eine gute Buchhandlung ausmacht, wie junge Frauen eine Branche verändern, die ansonsten ein Nachwuchsproblem hat. Warum es kleine Verlage schwer haben und es wichtig ist, im Netz präsent zu sein.

Karin Schmidt-Friedrichs hat auf der Buchmesse gerade ein Branchen-Umsatzplus von 0,5 Prozent verkündet. Nicht überragend, aber relativ betrachtet: schon okay. Alles gut?
Jetzt kommt das große Aber. Der Buchmarkt ist nicht gerade ein Wachstumsmarkt. 1998 lag der Umsatz bei 9,1 Milliarden Euro – aktuell beträgt das Marktvolumen 9,71 Milliarden Euro. Der Umsatz bleibt gleich, aber die Marktanteile haben sich verschoben.

Schuld ist der Online-Handel ?
Der Börsenverein sagt, dass der stationäre Buchhandel noch einen Marktanteil von 49 Prozent hat, rund die Hälfte. Der Rest verteilt sich aufs Internet. Rund ein Fünftel der Verlage verkauft seine Bücher auch direkt. Was hinzukommt, die Konzentration im Buchhandel hat zugenommen.

Sie sprechen die großen Filialisten Thalia und Hugendubel an? Wie hoch ist ihr Anteil am Geschäft?
Dafür gibt es keine Zahlen. Das müsste man ausrechnen. Aber als Anhaltspunkt: Thalia hat im abgeschlossenen Geschäftsjahr rund 1,9 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Acht Prozent plus. Und das wird wohl weiter nach oben gehen, weil Thalia gerade sein Filialnetz (über 330 in, Anm. der Red.) weiter verdichtet. Die bieten jetzt ziemlich aggressiv ein Partnerschaftsmodell an.

Was heißt das, wird der Buchhandel jetzt wie McDonald’s?
Es ist kein Franchise-Modell. Das Angebot lautet: Bevor ihr weiter vor euch hin wirtschaftet, könnt ihr unter unser Dach kommen. Und weiter selbstständig sein. Aber über eurer Buchhandlung steht dann halt Thalia oder meinetwegen Thalia Müller. Ihr müsst über uns bestellen und ihr bekommt auch Anbindung ans Internet, seid also auch auf unserer Webseite gut vernetzt und wir kaufen euch die Ware ab, die ihr habt. Es muss sich aber für Thalia schon auch lohnen. Was den Standort und/oder die Umsatzzahlen betrifft.

Von welchen Umsätzen reden wir.
Tatsächlich gibt es viele Buchhandlungen, die bei 300.000 bis 350.000 Euro Umsatz liegen. Wenn man realistisch ist, lässt sich damit nicht viel verdienen, da kannst du eigentlich nicht davon leben. Die Marschen sind gering; 35 bis 40 Prozent pro Buch. Nur die Filialisten erwirtschaften durch höhere Rabatte mehr. Und die Kosten sind gestiegen, zum Beispiel auch dafür, dass der Buchhandel einem ein Buch von einem Tag auf den anderen bestellt. Konkret: Das Betriebsergebnis einer kleineren Buchhandlung liegt bei 30.000 bis 40.000 Euro, wenn es hochkommt. Davon muss der Inhaber oder die Inhaberin leben. Das kann knapp werden, wenn noch die Lohnnebenkosten wie die Rentenvorsorge und die Krankenversicherung bezahlt werden müssen. Das machen schon einige – wenn sie einen Partner oder Partnerin haben, die oder der das Geld verdient.

Wie bei Autorinnen und Autoren: Die Buchbranche wird – sarkastisch ausgedrückt – getragen von Partnerinnen und Partnern im Lehramt, die das Geld verdienen.

Von Frauen würde ich sagen. 80 Prozent der Kundschaft sind Frauen. Man (lacht) ist schon sehr happy, dass jetzt auch die Jungen wieder einsteigen, das heißt weitgehend auch wieder die jungen Leserinnen.

Sie spielen auf die New-Adult-Szene an, die bei der Frankfurter Buchmesse gerade mit einer eigenen, 8000 Quadratmeter großen Halle gefeiert wird? Also, grob ausgedrückt, Fantasy- und andere Liebesgeschichten.
Die Zahlen gehen da hoch. Die Verlage machen das ganz geschickt, indem sie verschiedene Ausgaben herausgeben, mit unterschiedlichen Farbschnitten, die man sammeln kann. Da sind die jungen Leute hinterher, die wollen dann eine Serie komplett haben. Die rufen bei den Buchhandlungen an: Haben Sie die limitierte Ausgabe soundso.

Also profitieren auch die Buchhandlungen?
Ja, eindeutig. Warum geht man in die Buchhandlung? Weil man ein Problem hat, weil man selbst etwas zum Lesen sucht oder ein Buch verschenken will. Ich hab’s selbst noch nicht erlebt, dass ganze Scharen von New-Adult-Leserinnen die Buchhandlung gestürmt haben. Aber das ist ein Segment, das wächst. Auch die jungen Leute wollen eben ein Buch in die Hand nehmen, gleichwohl sie es auf BookTok oder Instagram entdeckt haben. Unabhängig davon, ob es sich bei dem neuen Genre um hochwertige Literatur handelt, was ohnehin eine subjektive Einschätzung ist, wäre es dumm, wenn man da nicht drauf reagieren würde.

Manche Buchhandlungen haben eigene Stellflächen dafür. Dafür kommen die Bücher unabhängiger Verlage wie Wagenbach oder Wunderhorn kaum noch vor.
Der Buchhändler oder die Buchhändlerin, und das ist mit auch meine Expertise, muss entscheiden, was kaufe ich für Verlage ein und wie viel Rabatt habe ich. Kann ich mir leisten, von einem kleinen Verlag, der sicher ein schönes literarisches Programm hat, Titel einzukaufen. Die nehmen Platz weg. Und dann ist die Frage, verkaufen die sich. Was das New-Adult-Genre betrifft, 30 bis 40 Prozent der Buchhandlungen haben schon eigene Regale und Aufsteller dafür – und Mitarbeitende, die sich in dem Genre auskennen. Alle haben es noch nicht gecheckt.

Apropos, was macht eine gute Buchhandlung aus?
Eine Buchhandlung muss aktiv bleiben, schauen, dass sie auf dem neuesten Stand ist, auch, was das Ladenlokal und das Ladenlayout betrifft. Oder die Kundenansprache angeht, die Kommunikation. Wenn man in die Buchhandlung geht, muss man begeistert werden. In Form der Warenpräsentation, in Form der Atmosphäre, durch die Auswahl, aber auch durch die Leute, die da arbeiten. Wenn sie dich nicht begeistert, wirst du gucken, wieder rausgehen und sagen, ja, schön war’s. Wichtig ist auch, die Ansprache muss niederschwellig sein und etwa auch über Instagram, Facebook, WhatsApp laufen. Es ist schon gut, sich auf diesen Plattformen aufzuhalten, um auch mit dem Kunden zu agieren, wichtig ist, dass man auch über ein Netzwerk vor Ort verfügt.

Das heißt, die gute alte Lesung ist tot?
Nicht unbedingt. Es ist Werbung. Und manchmal sind die Buchhandlungen – oft zusammen mit den Bibliotheken – die letzten Kulturträger vor Ort. Dazu gibt es Buchhandlungen, die sich darauf spezialisiert haben, die das auch gerne machen. Aber letztendlich sind Lesungen ein Plus-Minusgeschäft, man verdient da jetzt nicht so wahnsinnig viel daran. Man muss die Anreise bezahlen, das Honorar, die Eintrittspreise sollen auch nicht so hoch sein, man muss halt gucken, welche Zielgruppe man anspricht. Und wen man einlädt. Die Verlage machen ja nicht mehr so viel Werbung dafür. Umso wichtiger ist es, dass die eingeladenen Autorinnen ein Netzwerk haben und ihre Fans animieren, zu kommen. Aber, noch einmal: Es kommt vor allem darauf an, dass man offen ist, für neue Dinge. Was nicht immer der Fall ist.

Was meinen Sie?
Was ich beobachte, ist noch viel Potenzial da. Oft ist es so, dass die Inhaber die großen Bedenkenträger sind, Mitarbeiter wollen oft etwas verändern, auch im Sortiment, dann gibt es aber viele Bedenken. Es hat nicht immer etwas mit dem Alter zu tun. Aber oft taucht schon die Frage auf? Soll ich mir das jetzt noch antun? Die Herausforderung in der Buchbranche momentan darin, dass viele Buchhändlerinnen und Buchhändler in ein Alter gekommen sind, in dem sie ihre Buchhandlung abgeben möchten. Die Babyboomer (die 1955 bis 1964 Geborenen, Anm. der Red.) gehen in Rente. Und jetzt ist die große Frage, was wird aus der Buchhandlung. Kann ich sie verkaufen, werde ich sie verkaufen, oder muss ich sie letztendlich schließen, weil es keine Nachfolger gibt. Das ist ein großes Thema in der Buchbranche. Manche Inhaberinnen und Inhaber erkennen einfach auch zu spät, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Mitarbeitende erkennen die Probleme mitunter früher, finden aber oft kein Gehör.

Das heißt, auch der Buchhandel hat ein Nachwuchsproblem?
Na ja, es gibt nicht so viele, die sich dafür interessieren. Viele wissen gar nicht, was das sein soll, ein Buchhändler – und dass man am Ende der Ausbildung einen Kaufmannsgesellenbrief erhält. Liest der Bücher, ist dann die Frage. In anderen Ländern gibt es die Ausbildung gar nicht. Und wenn die jungen Leute dann hören, was unter dem Strich rauskommt, und was für eine Arbeit dahintersteckt, das ist ja oft nicht mit einer 37,5-Stunden-Woche getan, dann erscheint ihnen das oft nicht attraktiv genug.

Letzte Frage, Ihre Lieblingsbuchhandlung?
Ich habe viele Lieblingsbuchhandlungen, darunter möchte ich aber vor allem die Buchhandlung Taube in Marbach nennen.

Zur Person

Christoph Honig, in Jülich geboren, hat nach der Ausbildung zum Buchhändler in der Mayerschen Buchhandlung in Aachen Betriebswirtschaft studiert und mehrere Buchhandlungen in Greifswald, Jena und Aachen geleitet. Seit 2019 arbeitet er in ganz Deutschland und teils in Österreich als selbstständiger Betriebsberater für den Buchhandel. In Baden-Württemberg, ein Schwerpunkt seiner Arbeit, werden die Beratungen von der Landesbank Baden-Württemberg bezuschusst, ein deutschlandweit einmaliges Projekt. Zudem wird seine Arbeit vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unterstützt. Honig lebt mit seiner Familie in Ludwigshafen.