Steckt der Buchhandel 2025 in der Krise? „Vielen kleineren Buchhandlungen steht das Wasser bis zum Hals“ Artikel aus dem Branchenmagazin „Börsenblatt“
Vielen kleineren Sortimenten im Buchhandel steht das Wasser bis zum Hals“
Die Kosten steigen weiter, Umsatz und Kundenfrequenz sind eher mau: Der Druck im Buchhandel wächst – nicht alle Sortimente halten ihm stand. Hier kommen Gegenstrategien und drei Mutmachgeschichten.
„Es war schon immer eng. Und jetzt wird es noch enger“: So fasst Volker Petri, beim Börsenverein Geschäftsführer des Landesverbands Nord, die aktuelle Lage im Buchhandel zusammen. Im vergangenen Jahr haben erschreckend viele Buchhandlungen im LV Nord ihre Türen für immer geschlossen – weil der Umsatz gesunken ist und die Kostenlast zu schwer wurde. Oder weil ältere Inhaber:innen für ihr Geschäft keine Nachfolgelösung fanden. Oft genug greifen die Gründe dabei auch ineinander.
Vielen kleineren Sortimenten stehe das Wasser derzeit bis zum Hals, berichtet Petri in einer gemeinsamen Runde mit den Geschäftsführer:innen aller Landesverbände. Das liegt nicht zuletzt an der Kostenlast, die immer schwerer wird: Die Logistikkosten steigen kontinuierlich, oft auch die Ladenmieten, etwa über Index- und Staffelverträge: Vielen Vermietern sei egal, wie es dem Einzelhandel gehe, so die Erfahrung Klaus Beckschultes, Geschäftsführer des Landesverbands Bayern: „Dann zieht eben ein Anwaltsbüro oder eine Arztpraxis in die Räume.“ Hinzu kommen immer neue Anforderungen des Gesetzgebers, die zwar sinnvoll sein mögen, aber erst einmal Kraft und Einarbeitungszeit brauchen – wie die E-Rechnung.
„Die Stimmung im Buchhandel ist gedrückt, die Kostensteigerungen haben an Dynamik gewonnen“: Dieses Fazit zieht auch Betriebsberater Christoph Honig (www.beratung-buchhandel.de) Nur die Filialisten dürften derzeit eher positiv in die Zukunft blicken: „Thalia wird mit dem Partnermodell weiter wachsen“, meint Honig. Allein seit Januar sind sechs Buchhandlungen ins Partnerprogramm oder ganz unter das Thalia-Dach geschlüpft. Zu den neuen Partnern gehören die Buchhandlung Grimpe im niedersächsischen Northeim sowie die Stadtbuchhandlung Bredstedt in Schleswig-Holstein.
Selbst Traditionsgeschäfte werfen derzeit das Handtuch: Die Bremer Buchhandlung Otto und Sohn etwa gibt es seit fast 100 Jahren. Im August wird Inhaber Martin Mader den Betrieb nun einstellen, nur zwei Jahre vor dem Jahrhundert-Jubiläum: „Die Kosten fressen uns auf“, sagt er. Seinen eindringlichen Appell an die Verlage hat er als offenen Brief formuliert.. „Die Kundenströme versiegen in unserer 1-b-Lage immer mehr“, erläutert Mader. Hinzu komme der sinkende Umsatz im Rechnungsgeschäft, unter anderem weil es in Bremen eine Haushaltssperre gebe. „Auf der anderen Seite galoppieren uns die Kosten davon.“ Er habe nicht mit einer Insolvenz vom Markt gehen, sondern „erhobenen Hauptes“ schließen wollen, sagt der 64-jährige Buchhändler.
Unternehmensberaterin Gudula Buzmann kann Buchhändler:innen in dieser Haltung nur bestärken. „Das Geschäft aufzugeben, ist kein Scheitern, sondern kann auch eine Befreiung sein.“ Trotz allgemeiner Krisenstimmung blickt sie eher optimistisch auf die wirtschaftliche Lage im Sortiment: „Es gibt einfach sehr viel Gestaltungsspielraum, der sich nutzen lässt – selbst wenn die Zeiten schwieriger werden.“ Und zu diesem Gestaltungsspielraum könne eben auch die Freiheit gehören, Nein zu sagen.
Gestaltungsspielraum haben aber auch und vor allem diejenigen, die eine Buchhandlung gründen beziehungsweise weiterführen wollen. Denn an den großen Stellschrauben lässt sich durchaus drehen, damit der Lebenstraum Buchhandel nicht vorzeitig endet. Für viele beginnt dieser Traum sogar gerade erst. „Es gibt sehr engagierte Neugründungen“, so Anja Bergmann, beim Börsenverein Regionaldirektorin in NRW. „Und diese Existenzgründer:innen bringen jede Menge Drive und neue Ideen mit“, ergänzt Tom Erben vom Landesverband Baden-Württemberg. Buchclubs, Silent-Reading-Partys, New-Adult-Abende: In der Branche herrscht neben all den traurigen Abschieden von Kolleg:innen auch jede Menge Aufbruchstimmung.
Voller Power steckt beispielsweise Buchhändlerin Ines Klisch – das vermittelt sich schon am Telefon. Im Januar 2023 hat sie die Buchhandlung Bücherwurm in der sächsischen Kreisstadt Grimma übernommen. Vorher war sie dort als Mitarbeiterin beschäftigt: „Ich wusste also vorher schon, dass ich hier keine Millionärin werde. Für mich ist dieser Laden trotzdem ein absoluter Glücksfall.“ Das kleinstädtische Umfeld bietet aus ihrer Sicht viel Potenzial: „Viele Kund:innen haben sich bei mir bedankt, weil ich den Laden übernommen habe und die Buchhandlung in Grimma erhalten bleibt.“
Läden wie der Bücherwurm sind der Grund, warum Heike Haupt, Geschäftsführerin beim Börsenverein-Landesverband Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die Stimmungslage ihrer Verbandsmitglieder vor Ort als „verhalten optimistisch“ beschreibt. „Glücklicherweise ist der Buchhandel generell sehr resilient.“ Das traditionelle, unabhängige Sortiment von Ines Klisch hat 100 Quadratmeter Fläche, ein Drittel ist für das Kinder- und Jugendbuch reserviert, stärkste Warengruppe ist die Belletristik. Der größte Sparfaktor beim Bücherwurm kam eher unfreiwillig zustande, als eine Mitarbeiterin überraschend kündigte. Inzwischen ist die Lücke wieder gefüllt: Vorbesitzerin Marlies Uhde arbeitet im Laden mit. Auch bei Ines Klisch, die im Januar zum Barsortiment Libri gewechselt ist, steht das Geschäft durch die hohen Kostensteigerungen in der Logistik „Spitz auf Knopf“. Doch sie kann die Mehrausgaben durch Mehreinnahmen kompensieren. Steigende Preise helfen dabei, aber darin sieht die Buchhändlerin auch eine Gefahr: „Werden bestimmte Preisschwellen überschritten, könnte das ein Bumerang für die gesamte Branche werden.“
Nach der Übernahme haben die Verlage sie sehr unterstützt, etwa durch gute Zahlungsziele oder bei den Veranstaltungen: „Hier lässt sich durchaus verhandeln – vor allem bei den Vertreterbesuchen, die ich als Eigentümerin noch einmal ganz anders schätzen gelernt habe. Jetzt, wo ich den Einkauf selbst steuern muss, sehe ich den Riesengewinn an Informationen und auch an Verhandlungsmöglichkeiten.“
„Wer danach fragt, bekommt in der Regel Zugeständnisse von den Verlagen“ – das kann Berater Christoph Honig nur bestätigen. Dass viele Verlage den Buchhandel nach A-, B- oder C-Kunden sortieren und damit auch entsprechende Konditionen verbinden, hält er für ein falsches Signal: „Schließlich können auch kleine Buchhandlungen zu guten Kunden werden, die sich für ein Verlagsprogramm starkmachen.“
Buchhändler:innen rät er deshalb im Gegenzug, genau zu prüfen, mit welchen Verlagen sie zusammenarbeiten wollen und mit welchen vielleicht auch nicht. Stimmen die Konditionen, lassen sich Remissionen auch ohne Vertreteranfrage abwickeln, welche Kosten entstehen durch Kleinsendungen? Aspekte, die bei der Wahl der Geschäftspartner eine Rolle spielen und sich am Ende im Betriebsergebnis niederschlagen. Anders formuliert: „Wer bietet mir Lösungen an – statt mich vor Probleme zu stellen?“, so Honig. Und wer jetzt denkt, dass die Konzerne hier die Nase vorn haben, täuscht sich: „Es gibt kleine Verlage, die einen super Service bieten – und große, die es dem Buchhandel eher schwer machen“, so Honigs Erfahrung. Den Vertreterbesuch durch eine Telefon- oder Teams-Beratung zu ersetzen, hält er übrigens für eine ziemlich clevere Strategie der Verlage: „Sie sparen dadurch, ohne diesen Kostenvorteil über die Konditionen an den Buchhandel weiterzugeben.“ Vielleicht durchaus ein Ansatzpunkt für die nächsten Verhandlungen.
Beim kostenbewussten Einkauf gilt: Welcher Verlag bietet mir Lösungen an, statt mich vor Probleme zu stellen? Christoph Honig, Betriebsberater
Was stimmt Buchhandlungen in diesen Zeiten hoffnungsvoll? „Die Stammkunden.“ Diese spontane Antwort kommt nicht nur von Beraterin Gudula Buzmann, sondern auch von Buchhändlerin Kerstin Hardenburg. 2014 hat sie auf 50 Quadratmetern ihren Glücksbuchladen in Wuppertal-Elberfeld eröffnet: „Wir haben weniger Probleme als andere, weil wir immer noch deutliche Umsatzsteigerungen verbuchen“, berichtet sie.
Das kommt nicht von ungefähr: Die Buchhandlung organisiert fast wöchentlich Veranstaltungen oder Büchertische – „manchmal bin ich in einer Woche 80 Stunden im Einsatz“ so Hardenburg. Den unternehmerischen Lohn dieses Engagements darf sie nicht nach Arbeitszeit berechnen, aber bemessen lässt er sich durchaus: „Ich bin überall sichtbar und bekannt.“ Vor Kurzem konnte sie eine Halbtagskraft einstellen, die sie etwas entlastet. Zwei Werksstudentinnen helfen ebenfalls in der Buchhandlung aus – die eine betreut das Young-Adult-Segment, die andere eher feministische Themen. »Seitdem zieht der Glücksbuchladen auch ein sehr junges Publikum ab 15 Jahren an, während bei den Lesungen nach wie vor die Zielgruppe 50 plus dominiert.“
Wir haben weniger Probleme als andere, weil wir immer noch deutliche Umsatzsteigerungen verbuchen. Kerstin Hardenburg
Ihr zentraler Tipp für einen starken Buchhandel: sich mit anderen vernetzen. In Wuppertal gibt es (zum Glück) noch einige Indies, die sich regelmäßig zum Stammtisch treffen und dabei manchmal auch spontan zur Einkaufsgemeinschaft werden – etwa bei den beliebten Legami-Stiften. Denn die haben einen hohen Mindestbestellwert, den sich die Stammtisch-Buchhandlungen kurzerhand teilen: „Auch wenn einem von uns mal ein Bestseller wie die Merkel-Biografie ausgeht, helfen wir einander“, erzählt Hardenburg. Kosteneffizienz durch Kooperation unter Kollegen: Das lässt sich zur Not eben auch inoffiziell auf die Beine stellen. Wenn man sich nicht gleich für die großen Einkaufsgemeinschaften entscheiden will, die mit vielen Einkaufsvorteilen und Serviceleistungen punkten.
Aus dem Bösenblatt 04/25